Wie gelingt die gute Zusammenarbeit zwischen Schule und Psychiatrie?

Wenn Kinder und Jugendliche psychisch belastet sind, ist die Schule oft einer der ersten Orte, an dem sich etwas verändert: Die Konzentration lässt nach, das Verhalten wird auffälliger oder das Kind zieht sich zurück. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Schule und psychiatrischer Versorgung kann in solchen Fällen entscheidend sein – für den weiteren Verlauf der Behandlung ebenso wie für das Wohlbefinden des Kindes.

Warum ist Zusammenarbeit wichtig?

Kinder und Jugendliche verbringen einen großen Teil ihres Alltags in der Schule. Lehrerinnen und Lehrer erleben sie in sozialen, kognitiven und emotional herausfordernden Situationen – oft regelmäßiger und intensiver als Fachleute im medizinischen Bereich. Gleichzeitig kann schulischer Stress psychische Symptome verstärken – oder umgekehrt durch seelische Probleme ausgelöst sein.

Eine enge Zusammenarbeit ermöglicht es, Entwicklungen früh zu erkennen, individuell passende Hilfen zu organisieren und Missverständnisse zu vermeiden.

Was braucht es für eine gelingende Kooperation?

1. Einverständnis der Familie

Ohne die Zustimmung der Sorgeberechtigten dürfen keine Informationen zwischen Schule und psychiatrischen Fachkräften ausgetauscht werden. Sobald diese vorliegt, kann gemeinsam im Sinne des Kindes gedacht und gehandelt werden.

2. Offenheit und gegenseitiger Respekt

Wichtig ist ein partnerschaftlicher Austausch auf Augenhöhe – frei von Schuldzuweisungen oder Schubladendenken. Die Schule ist Expertin für den Alltag des Kindes, die Psychiatrie für die seelische Gesundheit.

3. Gemeinsame Ziele

Was braucht das Kind? Welche schulischen Veränderungen könnten helfen? Was ist medizinisch oder therapeutisch möglich? Je klarer die Ziele, desto besser lassen sich Maßnahmen abstimmen – von Nachteilsausgleichen bis zur schrittweisen Wiedereingliederung nach Klinikaufenthalten.

4. Feste Ansprechpartner

Eine gute Kooperation gelingt oft besser, wenn auf beiden Seiten feste Bezugspersonen benannt werden – etwa eine Schulsozialarbeiterin oder einee Therapeutin.

Was ist möglich?

  • Teilnahme an runden Tischen oder Hilfeplangesprächen

  • Gemeinsames Erarbeiten von Unterstützungsplänen

  • Austausch über Beobachtungen und Entwicklungsverläufe

  • Begleitung von Übergängen (z. B. Schulwechsel, Rückkehr aus Klinik)

Fazit: Im Schulterschluss für das Kind

Eine gute Zusammenarbeit zwischen Schule und Psychiatrie kann Brücken bauen – zwischen Fachwissen und Alltag, zwischen Therapie und Bildung. Am Ende profitieren davon vor allem die, um die es geht: die Kinder und Jugendlichen.

Wenn die Schule zur Belastung wird – Tipps für Eltern

Für viele Kinder und Jugendliche ist die Schule ein zentraler Bestandteil ihres Alltags – aber nicht immer ein Ort des Wohlfühlens. Leistungsdruck, soziale Konflikte, Überforderung oder Prüfungsangst können dazu führen, dass Schule zur seelischen Belastung wird. Als Elternteil ist man oft der erste Mensch, der Veränderungen bemerkt – und gleichzeitig der wichtigste Anker für das Kind.

Woran erkenne ich, dass mein Kind unter schulischem Stress leidet?

Manche Kinder reden offen über ihre Sorgen, andere ziehen sich eher zurück oder zeigen auffälliges Verhalten. Typische Warnzeichen können sein:

  • Plötzlicher Leistungsabfall

  • Körperliche Beschwerden ohne erkennbare Ursache (z. B. Bauchschmerzen vor der Schule)

  • Schlafprobleme oder Appetitverlust

  • Vermeidung von Schule oder sozialen Kontakten

  • Reizbarkeit, Traurigkeit oder Rückzug

Eltern sollten diese Signale ernst nehmen – auch wenn sie zunächst diffus erscheinen.

Was kann ich als Elternteil konkret tun?

1. Zuhören ohne Druck

Zeigen Sie Interesse, ohne sofort Lösungen vorzuschlagen. Offene Fragen wie „Was war heute schwierig für dich?“ helfen oft mehr als gezielte Nachfragen nach Noten.

2. Gefühle ernst nehmen

Sätze wie „Das ist doch nicht so schlimm“ oder „Da musst du durch“ sind meist gut gemeint, aber wenig hilfreich. Stattdessen hilft es, die Gefühle zu benennen und zu spiegeln: „Das klingt, als wärst du ziemlich überfordert.“

3. Struktur geben

Ein geregelter Alltag, Pausen und feste Erholungszeiten geben Kindern Sicherheit – besonders in stressigen Schulphasen.

4. Den Blick weiten

Nicht nur die schulischen Leistungen sind wichtig. Unterstützen Sie auch Hobbys und Freundschaften, die das Selbstwertgefühl stärken.

5. Hilfe in Anspruch nehmen

Wenn Sorgen anhalten oder sich verschlimmern, kann es sinnvoll sein, professionelle Unterstützung zu suchen – z. B. durch eine Schulberatung, Psychotherapie oder kinder- und jugendpsychiatrische Sprechstunde.

Schule ist nicht alles – das Wohlbefinden zählt

Leistungsdruck und Stress gehören in einem gewissen Maß zum Schulalltag. Doch wenn Schule krank macht, braucht es Verständnis, Geduld – und manchmal auch externe Hilfe. Denn seelische Gesundheit ist die wichtigste Voraussetzung fürs Lernen.

Was ist EMDR – und wie hilft es traumatisierten Jugendlichen?

Traumatische Erfahrungen können das Leben von Kindern und Jugendlichen tiefgreifend beeinflussen. Manchmal wirken die Erlebnisse noch lange nach – in Form von Ängsten, Schlafproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten oder plötzlichen Stimmungsschwankungen. Eine anerkannte Methode, um solche seelischen Verletzungen zu verarbeiten, ist EMDR.

Doch was genau steckt hinter diesem ungewöhnlichen Begriff – und wie funktioniert die Methode bei jungen Menschen?


Was bedeutet EMDR?

EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, auf Deutsch: Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen.

Die Methode wurde ursprünglich zur Behandlung von Erwachsenen mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) entwickelt. Heute wird EMDR erfolgreich auch bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt – etwa nach:

  • Unfällen oder plötzlichen Verlusten

  • Missbrauch oder Gewalterfahrungen

  • Mobbing oder schweren familiären Konflikten

  • Belastenden medizinischen Eingriffen

  • Naturkatastrophen oder Fluchterfahrungen


Wie funktioniert EMDR?

Vereinfacht gesagt: In der EMDR-Therapie wird das belastende Erlebnis bewusst erinnert, während gleichzeitig gezielte Augenbewegungen oder andere bilaterale Reize (z. B. Tippen auf Hände, Töne im Wechsel) eingesetzt werden.

Das Ziel: Die emotionale Ladung der Erinnerung wird reduziert, und das Gehirn kann die Erfahrung neu verarbeiten – ähnlich wie es normalerweise im Schlaf (Traumphase) geschieht.


Warum hilft das bei Trauma?

Traumatische Erlebnisse sind häufig nicht vollständig verarbeitet – sie bleiben wie eingefroren im Gedächtnis, mit all den Gefühlen, Bildern und Körperempfindungen. Dadurch reichen oft kleine Auslöser (z. B. ein Geräusch oder ein Geruch), um intensive Reaktionen hervorzurufen.

EMDR unterstützt das Gehirn dabei, diese Blockade zu lösen. Viele Jugendliche berichten nach einer EMDR-Behandlung, dass sie sich:

  • innerlich ruhiger fühlen

  • besser schlafen können

  • weniger Albträume oder Flashbacks haben

  • belastende Gedanken loslassen können

  • wieder mehr Lebensfreude spüren


Ist EMDR für Kinder und Jugendliche geeignet?

Ja – EMDR wird speziell an das Alter und die Entwicklung des Kindes angepasst. Je jünger das Kind, desto spielerischer und bildhafter verläuft die Therapie. Bei Jugendlichen können auch Musik, kreative Methoden oder kurze Bewegungsübungen integriert werden.

Wichtig: Eine vertrauensvolle Beziehung zur Therapeutin oder zum Therapeuten ist entscheidend – nur dann kann EMDR sicher und wirkungsvoll eingesetzt werden.


Wann ist EMDR sinnvoll?

EMDR kommt meist dann zum Einsatz, wenn Kinder oder Jugendliche nach einem belastenden Erlebnis nicht „zurück in den Alltag“ finden, z. B. wenn sie:

  • sich plötzlich zurückziehen

  • starke Ängste entwickeln

  • über körperliche Beschwerden ohne klare Ursache klagen

  • wütend, gereizt oder niedergeschlagen wirken

  • Konzentration und Freude an Schule oder Freizeit verlieren

Auch wenn das Ereignis schon länger zurückliegt, kann EMDR helfen, es im Nachhinein zu verarbeiten.


Fazit

EMDR ist eine sanfte, aber tiefgreifende Methode, um traumatische Erlebnisse bei Kindern und Jugendlichen zu bearbeiten. Sie hilft dabei, innere Bilder und belastende Gefühle neu zu sortieren – und wieder mehr Sicherheit, Stabilität und Leichtigkeit zu gewinnen.

Wenn ein Kind nach einem Erlebnis nicht zur Ruhe kommt, lohnt es sich, EMDR als Therapieoption in Betracht zu ziehen – gut begleitet, individuell angepasst und in einem geschützten Rahmen.

Selbstverletzendes Verhalten: Wie Eltern reagieren können

Wenn Kinder oder Jugendliche sich selbst verletzen, erleben Eltern oft einen Schock. Die Vorstellung, dass das eigene Kind sich bewusst wehtut, ist schwer auszuhalten. Viele fragen sich: Warum tut es das? Habe ich etwas falsch gemacht? Wie kann ich helfen?

Wichtig ist: Selbstverletzendes Verhalten ist ein ernstes Warnsignal, aber auch eine Form des Ausdrucks – ein Versuch, mit innerem Druck oder emotionalem Schmerz umzugehen.


Was ist selbstverletzendes Verhalten?

Selbstverletzendes Verhalten (SVV), auch „non-suizidales selbstverletzendes Verhalten“ genannt, beschreibt Handlungen, bei denen sich Menschen bewusst und wiederholt verletzen, ohne dabei sterben zu wollen. Typische Formen sind:

  • Schneiden mit scharfen Gegenständen

  • Sich selbst schlagen oder beißen

  • Verbrennen oder verätzen der Haut

  • Kopf gegen Wände schlagen

Diese Handlungen sind kein Versuch, Aufmerksamkeit zu erzwingen, sondern meist ein Ventil für überfordernde Gefühle, wie Wut, Traurigkeit, Scham oder Leere.


Warum verletzen sich Jugendliche selbst?

Die Gründe sind individuell verschieden, oft spielen mehrere Faktoren zusammen. Mögliche Hintergründe sind:

  • Innere Anspannung oder emotionale Überforderung

  • Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen

  • Erfahrungen von Zurückweisung, Mobbing oder Traumatisierung

  • Depressionen, Angststörungen oder Persönlichkeitsproblematiken

  • Ein Gefühl von Kontrollverlust – oder um Kontrolle wiederzugewinnen

Manche Jugendliche berichten, dass körperlicher Schmerz den seelischen Schmerz für einen Moment überdeckt – oder überhaupt erst spürbar macht.


Was Eltern

nicht

tun sollten

Eltern reagieren auf SVV häufig mit Schock, Angst oder Wut – das ist verständlich, aber in der Regel nicht hilfreich. Vermeiden Sie:

  • Vorwürfe oder Strafen („Warum tust du mir das an?“ / „Das ist doch krank!“)

  • Bagatellisieren („Das ist doch nur eine Phase“)

  • Kontrolle oder Überwachung („Zeig mir deine Arme!“)

  • Überreaktionen, die das Kind zusätzlich unter Druck setzen

All das kann dazu führen, dass das Kind sich noch mehr zurückzieht – oder die Selbstverletzung heimlich fortsetzt.


Was Eltern stattdessen tun können

🧡

Ruhe bewahren – auch wenn es schwerfällt

Ein ruhiges, offenes Gespräch ist hilfreicher als ein aufgeladener Konflikt. Zeigen Sie, dass Sie da sind und das Kind nicht allein ist.

🗨️

Zuhören, ohne zu bewerten

Fragen Sie behutsam nach, ohne zu drängen. Manchmal hilft ein einfaches „Magst du mir erzählen, was dir gerade schwerfällt?“

🤝

Hilfe anbieten – nicht aufzwingen

Bieten Sie an, gemeinsam nach Unterstützung zu suchen (z. B. Beratung, Therapie), aber lassen Sie Raum zur Mitentscheidung.

🌱

Geduld haben

Veränderung braucht Zeit. Seien Sie präsent – nicht perfekt.


Wann sollte man professionelle Hilfe suchen?

Wenn Selbstverletzung häufig auftritt, der Alltag leidet oder weitere psychische Symptome hinzukommen (z. B. Depression, Rückzug, Suizidgedanken), sollte unbedingt professionelle Unterstützung in Anspruch genommen werden.

Anlaufstellen können sein:

  • Kinder- und Jugendpsychiatrische Praxen oder Kliniken

  • Psychotherapeut:innen mit Spezialisierung auf Jugendliche

  • Schulpsychologische Beratungsstellen

  • Kinderärzt:innen oder Beratungsstellen vor Ort


Fazit

Selbstverletzendes Verhalten ist immer ein Zeichen innerer Not – kein „Trend“ oder Trotz. Eltern können helfen, indem sie achtsam, geduldig und unterstützend reagieren, anstatt mit Verurteilung oder Kontrolle.

Manchmal reicht das schon, damit ein Kind sich öffnet. Und wenn nicht – dann ist es genauso stark, gemeinsam professionelle Hilfe zu suchen.