Selbstverletzendes Verhalten: Wie Eltern reagieren können

Wenn Kinder oder Jugendliche sich selbst verletzen, erleben Eltern oft einen Schock. Die Vorstellung, dass das eigene Kind sich bewusst wehtut, ist schwer auszuhalten. Viele fragen sich: Warum tut es das? Habe ich etwas falsch gemacht? Wie kann ich helfen?

Wichtig ist: Selbstverletzendes Verhalten ist ein ernstes Warnsignal, aber auch eine Form des Ausdrucks – ein Versuch, mit innerem Druck oder emotionalem Schmerz umzugehen.


Was ist selbstverletzendes Verhalten?

Selbstverletzendes Verhalten (SVV), auch „non-suizidales selbstverletzendes Verhalten“ genannt, beschreibt Handlungen, bei denen sich Menschen bewusst und wiederholt verletzen, ohne dabei sterben zu wollen. Typische Formen sind:

  • Schneiden mit scharfen Gegenständen

  • Sich selbst schlagen oder beißen

  • Verbrennen oder verätzen der Haut

  • Kopf gegen Wände schlagen

Diese Handlungen sind kein Versuch, Aufmerksamkeit zu erzwingen, sondern meist ein Ventil für überfordernde Gefühle, wie Wut, Traurigkeit, Scham oder Leere.


Warum verletzen sich Jugendliche selbst?

Die Gründe sind individuell verschieden, oft spielen mehrere Faktoren zusammen. Mögliche Hintergründe sind:

  • Innere Anspannung oder emotionale Überforderung

  • Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen

  • Erfahrungen von Zurückweisung, Mobbing oder Traumatisierung

  • Depressionen, Angststörungen oder Persönlichkeitsproblematiken

  • Ein Gefühl von Kontrollverlust – oder um Kontrolle wiederzugewinnen

Manche Jugendliche berichten, dass körperlicher Schmerz den seelischen Schmerz für einen Moment überdeckt – oder überhaupt erst spürbar macht.


Was Eltern

nicht

tun sollten

Eltern reagieren auf SVV häufig mit Schock, Angst oder Wut – das ist verständlich, aber in der Regel nicht hilfreich. Vermeiden Sie:

  • Vorwürfe oder Strafen („Warum tust du mir das an?“ / „Das ist doch krank!“)

  • Bagatellisieren („Das ist doch nur eine Phase“)

  • Kontrolle oder Überwachung („Zeig mir deine Arme!“)

  • Überreaktionen, die das Kind zusätzlich unter Druck setzen

All das kann dazu führen, dass das Kind sich noch mehr zurückzieht – oder die Selbstverletzung heimlich fortsetzt.


Was Eltern stattdessen tun können

🧡

Ruhe bewahren – auch wenn es schwerfällt

Ein ruhiges, offenes Gespräch ist hilfreicher als ein aufgeladener Konflikt. Zeigen Sie, dass Sie da sind und das Kind nicht allein ist.

🗨️

Zuhören, ohne zu bewerten

Fragen Sie behutsam nach, ohne zu drängen. Manchmal hilft ein einfaches „Magst du mir erzählen, was dir gerade schwerfällt?“

🤝

Hilfe anbieten – nicht aufzwingen

Bieten Sie an, gemeinsam nach Unterstützung zu suchen (z. B. Beratung, Therapie), aber lassen Sie Raum zur Mitentscheidung.

🌱

Geduld haben

Veränderung braucht Zeit. Seien Sie präsent – nicht perfekt.


Wann sollte man professionelle Hilfe suchen?

Wenn Selbstverletzung häufig auftritt, der Alltag leidet oder weitere psychische Symptome hinzukommen (z. B. Depression, Rückzug, Suizidgedanken), sollte unbedingt professionelle Unterstützung in Anspruch genommen werden.

Anlaufstellen können sein:

  • Kinder- und Jugendpsychiatrische Praxen oder Kliniken

  • Psychotherapeut:innen mit Spezialisierung auf Jugendliche

  • Schulpsychologische Beratungsstellen

  • Kinderärzt:innen oder Beratungsstellen vor Ort


Fazit

Selbstverletzendes Verhalten ist immer ein Zeichen innerer Not – kein „Trend“ oder Trotz. Eltern können helfen, indem sie achtsam, geduldig und unterstützend reagieren, anstatt mit Verurteilung oder Kontrolle.

Manchmal reicht das schon, damit ein Kind sich öffnet. Und wenn nicht – dann ist es genauso stark, gemeinsam professionelle Hilfe zu suchen.